Lesedauer: 10 Minuten – gerne auch länger verweilend
Nutzen:        sich auf elementare Grundwerte besinnen

Einigkeit   …..ja, und auch Recht und auch Freiheit

Mein Tag beginnt eigentlich immer gleich. Zuallererst mach‘ ich mir einen Cappuccino. Frisch gemahlen in meiner Siebträgermaschine. Ich liebe diesen Moment, wenn der Duft meine Nase und auch meine noch müden Sinne erreicht….Dann setze ich mich an unseren großen Eichentisch, der das Verbindungsstück zwischen offener Küche und Couchlandschaft im Wohnzimmer darstellt und schreibe mit Blick auf den Tag die wichtigsten Aufgaben des Tages auf.

Erst dann nehme ich mein kleines Notebook zur Hand und schaue, was die Welt bewegt. Ich beginne immer auf Heute.de … jeden Morgen. Ich mag‘ die Aufbereitung der Nachrichten als kleine „Häppchen“. Und ja… ich liebe diesen Moment, wenn die Inhalte meinen Denkpalast und meine noch müden Sinne erreichen…

Eine Mahnung an die Einheit

Heute Morgen hat ein Statement von Winfried Kretschmann meine Gedanken festgehalten. Unser Ministerpräsident hier in Baden-Württemberg mahnt ein einheitliches  – einiges – Vorgehen der Bundesländer an, da sonst die Akzeptanz innerhalb der Bevölkerung verloren gehen könnte. …. und somit die Kraft, die Stärke…. unsere Werte.

Während ich dieses Statement lese, richtet sich mein Blick auf. Vom Tisch aus schaue ich auf das Feld, das sich durch das Fenster hinter meiner Couch abzeichnet. Es schließt sich nahtlos an meinen Garten an und steht gerade in voller Blüte. Ich liebe diese Bewegung, wenn sich die Gräser sachte im Wind hin und her bewegen. Geschmeidig. Miteinander. Nicht alle gleich. Und trotzdem gemeinsam. Sich irgendwie „einig“, dass man dem Wind, der Sonne und auch die Stürme meistern kann, wenn man nur zusammensteht.

 

Die Gefährdung von Recht und Freiheit durch fehlende Einigkeit

„Einigkeit und Recht und Freiheit!“ … während ich über Herrn Kretschmanns Worte nachdenke, steigen in mir die traditionsreichen Worte – die Werte unserer deutschen Gesellschaft auf. Das Wort Einigkeit drängt sich plötzlich in den Vordergrund…. „Einigkeit! ….. Ja, und auch Recht und auch Freiheit!“ Durch unsere Gewaltenteilung und unser demokratisches Verständnis sehe ich aber die beiden letzteren – also Recht und Freiheit – nicht wirklich gefährdet. Auch nicht durch Corona und die einschränkenden Maßnahmen. Diese sind lediglich vorrübergehend und (be)schützend. Ich sehe Recht und Freiheit tatsächlich eher durch eine fehlende „Einigkeit“ gefährdet.

Ex unite vires – Einigkeit macht stark

In meiner Schulzeit hatte ich auch mal eine kurze Zeit Latein als Unterrichtsfach. Ich geb’s zu, es hat mich furchtbar gelangweilt. Vielleicht war’s auch der Lehrer, der mich nicht begeistern konnte. Wie auch immer… Ich erinnere mich bis heute an die Worte ‚Ex unite vires

Bedeutet so viel wie „Einigkeit macht stark!“. Eine Gemeinschaft ist immer stärker als das Einzelne. Im Umkehrschluss gilt aber auch: die Gemeinschaft kann immer nur so stark sein, wie jeder für sie auch einsteht.

Mein Blick richtet sich wieder auf das Feld und innerlich höre ich meine Zustimmung zu dieser Interpretation. Stimmt! Und ich frage mich, was der Status Quo in Sachen „Einigkeit“ in Deutschland ist…

 

Einigkeit macht zwar stark, aber meistens blind?

Zwei Sprichworte kommen mir in den Sinn.

„Einigkeit macht stark, aber meistens auch blind. (Sigmund Graf) und

„Wir könnten viel, wenn wir zusammenstünden! (Schiller – Wilhelm Tell)

Ich glaube nicht, dass das Wort „meistens“ in Sigmunds Graf Aussage stimmt. Das würde ja bedeuten, dass „sich in etwas einig zu sein“ fast immer mit Betriebsblindheit einhergehen würde. Sigmund Graf hat sich da meines Erachtens in einem Glaubenssatz verzettelt. Wie leicht (und somit gefährlich) kann eine solche Aussage zur „Killerphrase“ werden. Zu einer Art Totschlagargument, das keinem Dialog mehr zugänglich ist.

Wie klug und weise wäre Grafs Zitat, wenn es wie folgt lauten würde:

„Einigkeit macht stark und damit sie nicht gleichzeitig blind macht, braucht sie den stetigen – offenen – Austausch mit denjenigen, die mit der sooo ‚gelebten Einigkeit‘ nicht einverstanden sind.“

Wilhelm Tell und die Einigkeit

Wie gut, dass mein Sohn gerade Wilhelm Tell in der Schule durchnimmt. Erinnert Ihr Euch an die Geschichte des redlichen Freiheitkämpfers?

Zur Erinnerung: das Stück handelt vom Widerstand von Einzelpersonen wie auch der Gesellschaft gegen machtgierige Unterdrücker. Ein Schauspiel vom Zusammenhalt der Gesellschaft, von Freiheitsliebe, von Leidenschaft und von Mut …

Der Held der Geschichte Wilhelm Tell ist durch und durch von einem starken Freiheitsgefühl geprägt. Mit jeder Faser seines Daseins ist er dabei aber an die Berge seine Heimat gefesselt. Und doch hat er den Weitblick über seine Heimattäler hinaus. Geprägt von einer ureigenen Abneigung zum Widerstand ermahnt er die Menschen zu Geduld. Einen großen, gemeinsamen Befreiungsplan, das liegt ihm allerdings nicht. Und trotzdem handelt er dort, wo es notwendig ist. Und zwar entschlossen und mit allen Mitteln. Dazu ist er stets bereit. Seine Kernaussagen im Stück: „Der Starke ist am mächtigsten allein… Ein jeder zählt nur sicher auf sich selbst.“

Der weitere Held der Geschichte ist der Großbauer Werner Stauffacher. Er steht im Gegensatz zu Tell für einen gemeinsam getragenen Widerstand. Er ist Wohltäter der Armen und gleichfalls Beschützer der Bedrängten – ein besonnener, aber zugleich entschiedener Charakter. In seinem Streitgespräch mit Wilhelm Tell fallen folgende Kernaussagen „Verbunden werden auch die Schwachen mächtig… Wir könnten viel, wenn wir zusammenstünden.“  …. Einigkeit. Da wäre sie wieder.

Wenn du dir Wilhelm Tell in unterhaltsamer Kurzform wieder in Erinnerung bringen möchtest, dann empfehle ich dir „Wilhelm Tell als Cartoon“ auf Youtube. Alle Schüler kennen das. Literatur und Botschaft – leicht – unterhaltsam – verständlich!  Und mal Hand auf’s Herz? Was wäre ich damals über so etwas froh gewesen…. 😉

 

 

Warum ich Euch kurz in die Geschichte von Wilhelm Tell entführe?

Ganz einfach. In Schillers Werk erfahren wir vom berühmten Rütli-Schwur – dem Schwur der Eidgenossen zur Einigkeit gegen die Tyrannei. Einigkeit als elementares Wertekonstrukt einer Gesellschaft. Bei den Schweizer Eidgenossen, bei den Deutschen, in den unzähligen Gesellschaften und Kulturen auf dieser Welt.

Was ist mit unserer Einigkeit?

Und wieder drängt sich mir folgende Frage auf: „Was ist – aufgrund von Corona – der Status Quo der in der Nationalhymne besungenen Einigkeit in Deutschland?“ Ist sie noch da? Oder gab es sie in Wirklichkeit noch nie und wurde nur besungen? Wenn sie da ist, macht sie uns betriebsblind?  Droht sie auseinander zu dividieren? Sind die Corona-Maßnahmen eine Tyrannei? Sind keine Corona-Maßnahmen Tyrannei? Fragen über Fragen….

Ich persönlich glaube, dass es wir keine Tyrannei erleben.
Und ich glaube auch, dass – obgleich die Einigkeit in ihren Grundfesten ziemlich erschüttert wird –  genau diese Einigkeit uns wieder zum Erblühen bringen wird… (Blüh‘ im Glanze…) In Deutschland. In Europa. Auf der ganzen Welt….

Ich glaube aber auch fest an meine Aussage von oben:

Einigkeit macht stark! Damit sie aber nicht blind macht, braucht sie den stetigen – offenen – Austausch mit denjenigen, die mit einer (in ihren Augen) unhinterfragten Einigkeit nicht einverstanden sind. Damit eine neue Einigkeit entstehen kann….

Lasst uns in diesem Sinne nach Einigkeit streben … Tag für Tag für Tag. Denn: Einigkeit und Recht und Freiheit sind des Glückes Unterpfand…..

 

 

Einigkeit und Recht und Freiheit

für das deutsche Vaterland!

Danach lasst uns alle streben,

brüderlich mit Herz und Hand!

Einigkeit und Recht und Freiheit

sind des Glückes Unterpfand:

Blüh im Glanze dieses Glückes,

blühe, deutsches Vaterland!

 

PS – Postskriptum

Und was tust du für eine gute – gelebte – Einigkeit?

Denk‘ mal drüber nach ….

 

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